Wer öfter per KH hört, hat vielleicht schon einen Blick in Richtung symmetrischen Betriebs der cans geworfen. Dazu liest man in manchen Blogs und Geräte-Reviews überschwengliche Kommentare.
Aber Geräte mit symmetrischem Kopfhörerverstärker (KV) haben ihren Preis.
Da ein RME UFX bei mir vorhanden ist, kam mir ein „ketzerischer“ Gedanke: Ein symmetrischer KV täte nichts anderes, als die vier Leiter (je zwei für linkes und rechtes Ohr) meines Sennheiser HD600-Zuleitungskabels mit jeweils „normalem“ und invertiertem Signal zu versorgen.
Müsste mit den zwei KV-Klinkenausgängen des UFX vielleicht auch hinzukriegen sein.
Tatsächlich: Das UFX hat internes Routing, also kann man den linken Kanal der Stereo-Quelle auf KV-Ausgang 1 und den rechten auf KV-Ausgang 2 routen.
Aus zwei Quell-Monokanälen werden so an den Ausgängen vier Kanäle (2x stereo). Aber: Jeweils linker und rechter Kanal der zwei Stereosignale sind noch identisch, nämlich die blosse Verdoppelung des dorthin gerouteten Quell-Kanals. Symmetrie erfordert Invertierung eines der beiden Stereokanäle.
Kein Problem: Das UFX bietet die Möglichkeit, jeweils linken oder rechten Kanal in den KV-Klinken-Ausgängen zu invertieren.
Fertig: Linker Quell-Kanal kommt aus KV-Ausgang 1 in normal und invertiert, und rechter ebenso aus KV-Ausgang 2.

Im obigen Bild geht es um den Submix für Ausgang “Phones 11/12”. Der Submix für “Phones 9/10” (unten rechts, dunkler abgeblendet neben PH11/12) sieht genauso aus, nur der Fader AN5 (Mittelreihe) steht dann natürlich ganz unten und der von AN6 auf 0 dB.  Wie im Foto schon angemerkt: AN5 und AN6 sind die Quellkanäle in meinem speziellen Routing, das ist aber nur ein Beispiel, es können beliebige andere Quell-Kanalpaare sein aus mittlerer oder oberer Reihe.

Bleibt noch, das Kabel dafür umzurüsten. Wir brauchen insgesamt vier Kanäle, also reichen zwei Monoklinken (TS)?? Naja, ich habe zwei Stereoklinken gewählt (TRS). Denn als Vorzüge symmetrischen Hörens werden genannt Gewinn von 6dB Dynamik (bessere „slew rate“) sowie Eliminierung der gemeinsamen Masse zwischen linkem und rechtem Ohr (Übersprechen). Perfekte elektrische Trennung der Ohren ergibt sich aber erst, wenn man auch im KV keine gemeinsame Masse mehr hat, und dies erfordert, dass der S-Klinkenanschluss unbelegt bleibt. Deshalb TRS-Klinken: Einen Leiter vom „Links-Ohr-Kabel“ an T löten, den anderen an R. Gleiches mit den beiden Leitern des „Rechts-Ohr-Kabels“. Wer ein KH-Kabel mit zusätzlichem Schirmungsleiter hat (also 5- oder gar 6-poliges Kabel), der mag dann auch noch den S-Anschluss der Stereoklinken benutzen, um den Schirm draufzulöten; aber dieser hat keine Verbindung zu den Signalleitern und ändert also an der vollständigen Signaltrennung zwischen den Ohren nichts (vgl. unten im rechten Schema, dort mit XLR-Steckern anstelle von TRS-Klinken gezeigt).

In Klammern gesprochen: Arne von *d.a.s. (der mein Kabel dann auch umgelötet hat) gab zu bedenken, dass ein gewisses Übersprechen klanglich ja erwünscht sei.
Klar, er denkt an die Widernatürlichkeit des KH-Hörens, bei dem das linke Ohr nur vom linken Quellkanal was hört, und das rechte nur vom rechten. Bei Lautsprecher bekommen beide Ohren etwas von beiden Quellkanälen mit (wodurch die Ortung erfolgt).
Ok, richtig, aber das ist aus meiner Sicht ein Grundsatzproblem des KH-Hörens. Mehr Übersprechen durch gemeinsame Masse löst dieses nicht substantiell, das Hörereignis bleibt so oder so praktisch im Kopf und steht nicht davor (wie beim Lautsprecher).
Deshalb ist dieser Aspekt für mich kein Argument gegen TRS-Klinken, sondern etwas, das sowieso durch „Crossfeed“-Plugins angegangen werden sollte: Lieber elektrische Trennung und dann kontrollierte, justierbare und wirksame Algorithmen für künstliches Crossfeed.
Wobei es übrigens nicht nur den Weg über VST-Plugins gibt, sondern auch einige KV, die hardwarebasiert eine Crossfeed-Schaltung bieten (z.B. Grace); wie wirksam die dann ist und ob jene KV wiederum symmetrischen Hörerbetrieb ermöglichen, ist eine andere Frage.

Und wie klingt’s?
Wer völlig neue Klangwelten erwartet, soll lieber auf HD800, Audeze LCD3 oder sowas aufrüsten (diese dann aber vielleicht auch wiederum symmetrisch betreiben…).
Aber ich fand den Aufwand fürs blosse Umlöten eines Kabels und zwei Neutrik-Klinken sehr lohnend.
Mein Eindruck war der eines etwas plastischeren Klangs, von mehr Klarheit auf sozusagen dunklerem Hintergrund, auch von druckvolleren Attacken. Und auch eindeutig von mehr Details in oberen Mitten und Höhen.
Der Unterschied mag vielleicht noch grösser werden, wenn der Vergleich mit gleichem Kabeltyp durchgeführt wird. Denn insoweit war ich sogar „unfair“ gegen die symmetrische Variante: Sie benutzt ein von Arne umgelötetes Standard-Sennheiser-Kabel, während der unsymmetrische „Gegenspieler“ ein nobles Silber-Kabel ist.

Also, wer die „Zutaten“ dazu sowieso schon hat, dem kann ich diese Idee empfehlen.
Zutaten heisst: Gerät mit zwei –parallel nutzbaren– KV-Ausgängen sowie oben beschriebener Routing-Möglichkeit und Invertierbarkeit je eines Kanals in den beiden Ausgängen.

Jetzt wird’s noch „ketzerischer“: Da ich nun schon das symmetrisch umgebaute Kabel habe, warum nicht mal Interface-Ausgänge versuchen, die eigentlich nicht für KH gedacht sind?
Beim UFX gibt’s hinten (Mono-) Klinkenausgänge, die symmetrisch arbeiten.
Routing wieder wie gehabt, nur das manuelle Invertieren wie bei den KV-Ausgängen entfällt; das tun symmetrische Ausgänge prinzipbedingt selbst.
Warum „ketzerisch“? Nun, KV sind immer auf sehr bis extrem geringe Ausgangsimpedanz ausgelegt, Line-Ausgänge nicht in diesem Masse. Beim UFX sind’s hinten 75 Ohm, vorn 30 Ohm.
An den 300 Ohm meines HD600 funktioniert es aber auch mit den 75 Ohm-Line-Ausgängen tadellos, aber das ist eine Frage des Zusammenspiels von konkretem KH-Typ und Line-Ausgang.
Muss man ausprobieren. In meinem Fall: Leichter Vorzug für die KV-Ausgänge vorn am UFX, etwas brillanteres Klangbild.

Jedenfalls: Wer Line-Ausgänge nutzt, hat natürlich noch viel grössere Auswahl an für KH-Symmetrie nutzbaren Interfaces. Nötig sind dann nämlich keine zwei KV-Ausgänge mehr, sondern
nur symmetrische Line-Ausgänge (XLR oder Klinke) plus internes Routing.

Beim Kabel-Umlöten Achtung mit der Breite von Klinkensteckern, es müssen zwei davon nebeneinander oder untereinander in die Ausgänge passen. Z.B. beim UFX bekäme man mit dicken Furutechs o.ä. Probleme.

Abschliessend noch zur Klarstellung: Dies ist keine Auswahl-Empfehlung für einen noch anzuschaffenden KV zum symmetrischen Betrieb!
Es geht hier nur um die Umrüstung einer Wiedergabekette auf symmetrischen Betrieb, die schon vorhanden war und vorher zum unsymmetrischen KH-Hören benutzt wurde.

Tobias Bigger