LaChapell 983s

Den Gain am Vorverstärker (Preamp) möglichst hoch drehen, um den Signal-Rauschabstand (SNR) zu verbessern?

Diesen Ratschlag habe ich verschiedentlich gesehen/gehört, u.a. vor vielen Jahren im Gespräch mit einem Tascam-Mitarbeiter (betreffend meinen damaligen Mikrofon-Preamp MX-4): Denn der Preamp werde mit höherem Gain rauschärmer, so die Begründung.

Um es gleich vorweg zu sagen: Ob man diese Empfehlung für richtig hält oder nicht, ändert im Recording-Alltag meist relativ wenig. Denn irgendwann kommt nach dem Preamp in der Regel ein A/D-Wandler, für den es einen optimalen Aussteuerungsbereich gibt. Übersteuert werden soll er einerseits nicht, und andererseits würde sich etwaiges deutliches „Untersteuern“ –um Preamp-Rauschen „einzusparen“– mit schlechterem SNR des Wandlers rächen.

Aber immerhin, mir ging das Eingangs-Statement dieser Tage erneut durch den Sinn. Stimmt es?
Dass der Preamp mit höherem Gain rauschärmer wird, stimmte sicherlich für den MX-4, so wie für viele andere Preamps auch. Aber die von Tascam etc. gezogene Schlussfolgerung war m.E. falsch.

1)  Rauschärmer trotz höheren Gains?
Ja. Natürlich nicht absolut geringeres Rauschen, sondern RELATIV zur Quellsignalverstärkung.
Daten des MX-4 liegen mir nicht mehr vor, aber das Beispiel Earthworks mag dienlich sein. Deren Preamps haben ein (fiktiv-rechnerisches) Äquivalentes Eingangsrauschen (EIN) bei 20dB Gain von -132dBV und bei 60dB Gain von -143dBV.
Also: Das Verstärkerrauschen am Ausgang ist bei 20dB Gain -112dBV (= EIN + Verstärkung) und bei 60dB Gain -83dBV.

Folge: Zwischen 20 und 60dB Gain liegen nur 29dB Rauschdifferenz bei 40dB Verstärkungsdifferenz, d.h. bei 60dB Gain bekommt man 100fach höhere Verstärkung bei nur gut 28fach höherem Verstärkerrauschen.
Der SNR solcher Preamps wird mit höherem Gain besser. Wer’s für sein eigenes Preamp-Modell nachrechnen will, braucht Angaben über dessen Rauschen bei mindestens zwei verschiedenen Gain-Stufen.

2)  Also möglichst weit hoch mit dem Gain?
Nein, diese Folgerung ist m.E. falsch. Vom isoliert betrachteten SNR des Preamps hat man nichts, wichtig ist der möglichst hohe Gesamt-SNR am Preamp-Ausgang. Denn der Preamp läuft nicht zum Spass, sondern zur Verstärkung des an seinem Eingang anliegenden Signals. Wenn dieses frei von Rauschen wäre, das Rauschen am Preamp-Ausgang also nur aus dem eigenen Rauschen des Preamps bestände, dann wäre das Eingangs-Statement richtig. Aber das Quellsignal hat selbst schon eine Rauschkomponente, z.B. Rauschen eines Mikrofons.

Der SNR des Quellsignals kann vom Preamp nicht mehr verändert werden, da letzterer Quell-Rauschen und Quell-Nutzsignal gleichermassen verstärkt. Der Quell-SNR bleibt also gleich, unabhängig vom Gain, und er verschlechtert sich dann um das zum Quell-Rauschen hinzukommende Preamp-Rauschen (= Gesamt-SNR am Preamp-Ausgang).
Um einen möglichst guten Gesamt-SNR zu haben, muss also das Preamp-Rauschen möglichst gering sein, und zwar ABSOLUT gering und nicht nur RELATIV zur Verstärkung.

Und absolut gesehen ist eben leider selbst bei Preamps von der Art des obigen Earthworks-Beispiels das Preamp-Rauschen bei höherem Gain immer höher als bei niedrigerem Gain.
Vielleicht erfindet ja mal irgendwann einer einen Preamp mit –vom Gain unabhängig– gleichbleibenden absoluten Rauschwerten. Aber bis dahin…

Tobias Bigger