Nein, nicht um den CIA-Vorläufer geht es hier, sondern um das sog. –> „Optimale Stereo-Signal“.

Die AB-Aufnahmetechnik setzt bekanntlich zwei Omni-Mikrofone in bestimmtem Abstand nebeneinander, entweder parallel oder –wegen der auch bei Omnis in höheren Frequenzen gegebenen Richtwirkung– angewinkelt.
Die OSS-Technik, für die insbesondere der Schweizer Tonmeister Jürg Jecklin steht, geht einen Schritt weiter als AB und positioniert einen Trennkörper zwischen die beiden Mikrofone. Dieser ist insbesondere in Gestalt der „Jecklin-Scheibe“ bekannt: Die Scheibe ist auf Vor- und Rückseite mit Schaumstoff beklebt und hatte in ihrer früher propagierten Form einen Durchmesser von 30 cm, bei einem Abstand der Mikrofone zueinander von 16,5 cm.

Jecklin-Scheibe

Die inzwischen erfolgte Revision des Konzeptes sieht einen Mikrofonabstand von 36 cm bei Scheibendurchmesser von 35 cm vor.

Die Idee eines Trennkörpers hat ihre Wurzel im Blick auf den Kopf des Hörers, wie der ursprüngliche Mikrofonabstand von 16,5 cm schon vermuten lässt. Der Kopf trennt linkes und rechtes Ohr, was zwischen linkem und rechtem „Kanal“ neben dem Laufzeitunterschied zu Intensitätsdifferenzen und unterschiedlichen Frequenzgangfärbungen führt. Letztere beiden Aspekte kann AB ohne Trennkörper nicht oder nur hinsichtlich partieller Intensitätsunterschiede realisieren, nämlich nur in den höheren Frequenzbereichen, in denen auch omnidirektionale Mikrofone Richtwirkung bekommen.

Ich habe ab 1997 einige Zeit lang mit einer Jecklin-Scheibe aufgenommen, mich dann aber anderen Verfahren zugewendet, was u.a. in grundlegender Kritik am OSS-Verfahren motiviert war.
Solche Kritik ist vielfach zu finden, meist mit dem Ergebnis, dass OSS für den Kopfhörer-Hörer tauglich sei, aber ungeeignet für den Lautsprecher-Hörer. Zusätzlich zu dieser grundlegenden Ablehnung wird Detailkritik vorgebracht, vor allem bzgl. des für Seitenschall entstehenden Kammfilters am Mikrofon der betreffenden Seite, resultierend aus der trotz Schaumstoffauflage noch gegebenen Reflektion des von der Seite auftreffenden Schalls durch die Scheibe.

Grund für meine Überlegungen hier sind durchgreifende Zweifel, die mir in letzter Zeit an der fundamental-theoretischen Ablehnung des Trennkörperkonzeptes kamen.

Soweit es um die erwähnte theoretische Fundierung von OSS mit dem Argument des menschlichen Kopfes geht, stimme ich allerdings unverändert der Kritik zu:
Den Trennkörper mit der Imitation der Verhältnisse rund um den Kopf zu begründen, ist für den Lautsprecher-Hörer von vornherein unsinnig. Denn beim Lautsprecher-Hören ist der Hörer mit seinem eigenen Kopf im Schallfeld präsent. Warum sollen also die Wirkungen dieses Kopfes bereits bei der Aufnahme per Trennkörper antizipiert, also noch ein zweites Mal simuliert werden?
Der gedankliche Fehler bei der Begründung von OSS mit Verweis auf den menschlichen Kopf liegt schlicht darin, die Mikrofone mit der Position des Hörers zu identifizieren, nur weil sie bei der Aufnahme (ganz wie ein imaginärer Hörer) vor der Schallquelle stehen. Beim Lautsprecherhören sollen die Mikrofonsignale nicht die Signale am Kopf des Hörers abbilden, sondern die Signale an der Schallquelle. Denn was die Mikros „hören“, geht später nicht direkt ins Ohr des Hörers, sondern in die Lautsprecher, steht also stellvertretend für die vor dem Hörer befindliche Schallquelle.
Um die Simulierung dieser Schallquelle muss sich demnach eine über Lautsprecher abzuspielende Aufnahme bemühen. Der Kopf und seine Wirkung auf das Schallfeld kann hingegen getrost dem Hörer überlassen bleiben, der vor den Lautsprechern sitzt; der bringt seinen Kopf schon selber mit…

Mit dem menschlichen Kopf sollte man daher nicht zugunsten von OSS argumentieren. Aber dieser Fehler im Grundgedanken bedeutet nicht, dass man den Trennkörper nicht anders begründen könnte, und auch nicht, dass das praktische Ergebnis der OSS-Aufnahme schlecht sein muss.
Von der Theorie her kommt man nämlich bei den Verfahren OHNE Trennkörper keineswegs korrekt hin, mit der Kanaltrennung bzw. dem Übersprechen von links nach rechts. Wo man bei OSS nach der vorher dargestellten Kritik auf den ersten Blick von zuviel der Trennung zwischen den Kanälen ausgehen könnte, ist es in Wirklichkeit bei den anderen Verfahren zuwenig.
Die Verfahren ohne Trennkörper lassen zwar beim Lautsprecherhören richtigerweise den menschlichen Kopf nur einmal in die Kalkulation hinein, nämlich in Gestalt des Hörers vor den Lautsprechern. Aber sie sind theoretisch problematisch in der Repräsentation der Schallquelle. Warum? Weil sie in der aufnahmeseitigen Erfassung der Schallquelle bereits ein Übersprechen zwischen links und rechts drin haben, das beim Original in dieser Weise gar nicht stattfindet. Schall sowohl von links als auch rechts wird jeweils bereits als Direktschall immer von beiden Mikrofonen erfasst. Das bedeutet, dass die mit den Mikrofonsignalen gespeisten Lautsprecher auch solche Signale wiedergeben, die dort unter dem Aspekt der Simulation der Schallquelle eigentlich nicht hingehören: Von der linken Box kommen auch Signale, die an der Schallquelle (nur) von rechts kamen, und von der rechten Box entsprechend umgekehrt.
Die trennkörperlosen Verfahren sind also theoretisch für die Lautsprecher-Wiedergabe inkorrekt, indem sie der Schallquelle ein Übersprechen zwischen linker und rechter Seite „unterjubeln“, das an der realen Schallquelle gar nicht stattgefunden hat, sondern erst am Kopf des Hörers passiert wäre (wenn dieser vor der Schallquelle gesessen hätte). Bei der Lautsprecherwiedergabe findet dann am Kopf des Hörers nochmal ein Übersprechen statt.
Einmal zuviel, so könnte man sagen.

Wendet man in der Betrachtung des OSS-Verfahrens den Blick weg vom irrelevanten Kopf des Hörers und hin zur Schallquelle, so wird deutlich, dass diese durch OSS theoretisch besser erfasst wird als durch die anderen Verfahren. Dort, bei der Schallquelle, liegt die theoretische „Richtigkeit“ des Trennkörpers: Was von der Schallquelle her von links kommt, wird dem –durch das rechte Mikrofon gespeisten– rechten Lautsprecherkanal bei OSS richtigerweise stärker „vorenthalten“ als bei den Verfahren ohne Trennkörper; dies einfach deshalb, weil das rechte Mikrofon von den linksseitigen Schallquellensignalen stärker abgeschottet ist als ohne Trennkörper. Und spiegelbildlich ebenso für die von rechts kommenden Schallquellensignale…

Die theoretische Analyse spricht folglich keineswegs grundlegend gegen Lautsprecherwiedergabe von OSS-Aufnahmen, sondern im Gegenteil.
Niemand wird nun aber deswegen kategorisch gegen die Verfahren ohne Trennkörper opponieren, bringen diese doch in der Praxis trotz der soeben nachgewiesenen theoretischen Problematik sehr ansprechende Ergebnisse.

Sinn dieser Überlegungen ist es also allein, den Weg frei zu machen für eine Offenheit gegenüber den praktischen Ergebnissen von OSS. Es sollten nicht grundlegende Überlegungen sein, die entscheiden, sondern allein die konkrete Anwendung und ihr Resultat.

Dann wird übrigens auch der Weg frei, umgekehrt die angebliche OSS-Tauglichkeit für Kopfhörerwiedergabe zu hinterfragen. Mit Kopfhörern fehlt das beim Lautsprecher-Hörer am Kopf stattfindende Übersprechen zwischen links und rechts. Hier ist somit gerade das bei der Aufnahme erfolgende stärkere Übersprechen der Verfahren ohne Trennkörper hochwillkommen, also derjenige Aspekt, der bei Lautsprecher-Wiedergabe als quasi doppeltes Übersprechen theoretisch falsch ist.
OSS trennt demgegenüber bei Kopfhörern zuviel: Die Schallquelle wird schon bei ihrer Aufnahme infolge der Scheibe stärker links/rechts-getrennt, und im Gegensatz zu einem hypothetisch vor der Schallquelle sitzenden Hörer gibt es dann beim Kopfhörer-Hören nochmal –und sogar vollständige– Links/Rechts-Trennung.
Wer mit Kopfhörern arbeitet, weiss, dass man dort nicht um bestmögliche Trennung der Kanäle verlegen ist, sondern um das Gegenteil: Die Wiedergabe soll möglichst von den Seiten oder vom Inneren des Kopfes virtuell nach vorn, vor den Hörer, verlagert werden. Hierum bemühen sich entsprechende Software-Plugins oder hardwareseitig bestimmte Kopfhörerverstärker-Schaltungen, die alle einen Crossfeed praktizieren, d.h. künstliches Übersprechen zwischen links und rechts einführen.
Sogar das aufnahmeseitige Übersprechen der trennkörperlosen Verfahren reicht also fürs Kopfhörer-Hören offenbar nicht aus, sondern muss künstlich ergänzt werden. OSS mit seiner stärkeren Trennung ist daher alles andere als besonders kopfhörer-geeignet, sondern erschwert im Gegenteil die Situation des kopfhörerbedingten Mangels an Übersprechen noch zusätzlich.

Fazit: In der Theorie ist OSS entgegen manchen Stellungnahmen nicht lautsprecher-untauglich und kopfhörer-affin. Sondern eher umgekehrt.

Der Rest ist Praxis, und hier ist der eingangs erwähnte Kammfilter beim Seitenschall viel interessanter als irgendwelche Grundsatzdiskussionen. Die Kammfilterproblematik ist ein wesentliches Argument, wenn der Hauptanwendungsbereich für OSS mitunter in Aufnahmen von Raumatmosphäre oder Raumhall gesehen wird. Denn je weiter entfernt man sich von der Schallquelle befindet, desto weniger relevant wird der „kammfilter-gefährdete“ seitliche Schall.
Je näher man umgekehrt an die Schallquelle heran möchte, desto mehr sollte man sich um den Kammfilter kümmern. Dies ist aber kein Ding der Unmöglichkeit. Ein Vorteil des OSS-Konzeptes ist seine Variabilität in der konkreten Faktur des Trennkörpers.
Abhängig vom Material der Scheibe und der Art und Dicke des aufliegenden Schaumstoffes, liesse sich das Kammfilter-Problem sicher entschärfen. Hilfreich mag dabei die Überlegung sein, dass das Scheibenmaterial nicht notwendig zugleich der Träger von Mikrofonhalterungen (Clips) sein muss, wie man es verbreitet bei handelsüblichen OSS-Scheiben sieht. Man kann demgegenüber die Mikrofone in üblicher Weise auf einer Schiene positionieren und den Trennkörper separat zwischen die Mikros bringen, wenn gewünscht oder erforderlich auch an getrenntem Stativ.
Insbesondere Do-it-Yourself-interessierten Leuten eröffnet sich also ein weites Feld für potentiell lohnende Aufnahmeversuche mit OSS an modifizierten oder komplett selbstgemachten Trennkörpern.

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