Retro 176

Nur wenige Equipment-Neuerscheinungen wurden in den letzten Jahren so heiß diskutiert wie der Retro Instruments 176, eine Neuauflage des Vari-Mu-Klassikers Universal Audio 176.

Bei dem Vintage-Vorbild handelt es sich um einen wirklich Klassiker der Kompressor-Geschichte, der nur aus einem einzigen Grund eine Art Nischendasein fristet: Es gibt nur noch wenig Exemplare davon, welche dementsprechend selten gehandelt werden; und wenn ein solches Teil einmal auf dem Gebrauchtmarkt auftaucht, dann erzielt es Höchstpreise, die vielleicht bald gar an der Fünfstelligkeit kratzen.

Wie gut also, dass Retro-Mastermind Phil Moore sich dieses Themas angenommen hat. Seine Rekreation des Putnam-Klassikers ist jedoch kein direkter Clone des 1176LN-Vorläufers. Während der Retro-Kompressor in vielen Belangen sehr exakt dem Vintage-Vorbild folgt, hat Moore ein paar Erweiterungen und Ergänzungen eingebaut, die den Nutzwert des Gerätes aus heutiger Sicht ungemein vergrößern.

So wurde die Flexibilität der Zeitkonstanten erweitert, und die Sidechain hat die interessante Asymmetry-Funktion erhalten, bei der vor der Gleichrichtung des Detektors entweder nur die positive oder die negative Halbwelle herangezogen wird – ein Trick, der bei bestimmten Vocal- und Bläsersignalen helfen kann. Auch lässt sich der Interstage-Übertrager, der zwischen Regelelement und Ausgangsstufe liegt, auf Wunsch aus dem Signalweg nehmen. Ohne diesen klingt der 176 etwas runder, mit dem Interstage-Transformer noch heller und dringlicher.

Im Charakter ist der Retro 176 seinem Transistor-Nachfolger, dem 1176, durchaus ähnlich: Er macht das Signal dichter und durchsetzungsfähiger und bringt es im Mix nach vorne. Dabei helfen dem Vari-Mu-Vollröhrenkompressor die schnellen Regelzeiten ebenso wie der ausschließlich mit Doppeltriodenröhren als aktiven Elementen aufgebaute Signalweg. Getreu dem Vintage-Vorbild verfügt auch der Retro sogar über einen Röhrengleichrichter im Netzteil!

Aus diesem Feature-Set zieht der 176 seine für einen Vari-Mu-Kompressor ungewöhnlich große Flexibilität. Erstaunlich ist aber, dass er neben relativ smoothen Ergebnissen sogar noch aggressiver klingen kann als der 1176 – was auch das folgende Klangbeispiel beweist, für das wir ein Raummikrofon mit dem 176 kleingekloppt haben…

Oder, um mit den Worten von Greg Wells zu sprechen:

The 176 sounds as impressive as my old tube giants (Gates, Federal, RCA) but also more modern if needed. I continue to use my three 176’s on every project I do. I can’t be without them! Please keep making gear like this.